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Meine Mama und ich hatten schon immer ein sehr gutes Mutter-Tochter-Verhältnis zueinander. Durch
die Distanz, die durch den Umzug vor 10 Jahren nach Hamburg entstand, verstehen wir uns sogar
noch besser und unsere Beziehung hat dadurch echt noch mal einen Sprung gemacht im Bezug auf
Vertrauen und Gefühle zeigen.
Meine Mama hat mir (zumindest kann ich mich nicht daran erinnern) in meiner Jugend eher selten
in Worten aktiv "gesagt", dass sie mich liebt, ich wusste aber trotzdem immer, dass sie das tut.
Durch ihre Art und Weise hat sie mir immer ihre Gefühle vermittelt und mir nie das Gefühl
gegeben, dass ich nicht geliebt werde. Seit ich in Hamburg wohne, ist es aber anders. Wenn wir
telefonieren, beenden wir eigentlich fast jedes Telefonat mit den Worten, dass wir uns lieb
haben. Ich glaube, dass ihr das jetzt wichtiger geworden ist, seitdem ich nicht mehr Zuhause
wohne und sie mir nicht mehr anders (eben durch "Taten") zeigen bzw. sagen kann, dass sie mich
lieb hat. Ich hatte früher nie das Gefühl, meiner Mama nicht alles sagen zu können. Vertrauen
konnte ich meiner Mama schon immer sehr und rückblickend gibt es auch nichts (glaub ich), was
ich meinen Eltern je verheimlicht habe. Meine Eltern standen schon immer hinter mir und haben
nie etwas verurteilt. Dennoch habe ich manchmal das Gefühl, dass sie mich mit ihren
Einstellungen geprägt haben.
Wir telefonieren oder facetimen jede Woche und schreiben auch fast jeden Tag auf Whatsapp. Wenn
ich mich mal länger nicht melde, fragt sie auch direkt ob alles in Ordnung ist. Wie sehr ich
meine Eltern vermisse wird mir meistens dann bewusst, wenn ich in der Heimat bin und merke, dass
das Wochenende schon wieder fast vorbei ist. Dann denke ich oft daran, wieder näher zu meinen
Eltern zu ziehen. Ich genieße die Zeit mit meiner Mama immer sehr und freue mich immer, wenn wir
mal etwas Zeit zu zweit verbringen. Selbst wenn es nur Frühstücken ist oder gemeinsames
einkaufen bei Rossmann. Ich glaube meiner Mama ist das gar nicht so bewusst tatsächlich aber
trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass sie ein schlechtes Gewissen hat, wenn wir uns eine
längere Zeit nicht gesehen haben. Dann fragt sie immer, ob ich traurig bin, wenn sie an einem
Wochenende doch nicht nach Hamburg kommen.
Ähnlich wie meine Mama, hatten mein Papa und ich hatten auch schon immer ein sehr gutes
Verhältnis zueinander. In der Anfangszeit als ich nach Hamburg gezogen bin, hat sich mein Papa
jedes Mal, wenn ich Zuhause war, erkundigt, ob es mir in Hamburg noch gut geht und ob ich nicht
doch wieder nach Ostfriesland ziehen möchte. Das ging einige Monate so. Das hat mir immer
gezeigt, dass meinem Papa es wirklich wichtig ist zu wissen, dass meine Entscheidung kein Fehler
war. Wie auch meine Mama, hat mein Papa eher selten seine Gefühle richtig offen bzw. aktiv durch
Worte gezeigt. Ich glaube, dass ist so das typische "ich bin ein Mann und darf meine Gefühle
nicht so zeigen"-Ding. Vermutlich, weil sein Papa, also mein Opa, das früher auch nicht so
gemacht hat. Aber mein Papa hat das immer sehr geschickt durch die Blume gemacht, mit den
Gefühlen anders ausdrücken, indem er mir eben bestimmte Fragen gestellt hat.
Mein Papa ist Bänker und ihm ist die finanzielle Sicherheit aller Familienmitglieder und vor
allem meine, sehr sehr wichtig. Wahrscheinlich weil ich ein Einzelkind und sein einziges Kind
bin. Für ihn muss finanziell immer alles geregelt und abgesichert sein. Vor allem für die
Zukunft. Auf der anderen Seite gibt es aber noch seine ganz andere Art, durch seine
Krebsdiagnose als er mitte 30 war. Sein Lieblingssatz (und das ist nicht übertrieben) ist "Es
gibt Schlimmeres". Mich hat dieser Satz früher oft super genervt. Aber je älter auch ich werde,
umso öfter sage und denke ich genau das Gleiche. Denn es gibt eben schlimmeres als Regen im
Urlaub oder eine schlechte Note in der Schule. Vor allem im Urlaub steht bei meinem Papa das
"Hier und Jetzt" im Vordergrund, da wird sich dann eben an einem Tag richtig doll gegönnt und
dann sind es eben an einem Tag mal 200 euro nur für Frühstück, Tee und Kuchen und einem leckeren
Abendessen. Dieses "finanzielle Sicherheit" und "Sparen ist das aller Wichtigste" steht einfach
immer absolut im Gegensatz zueinander. Deswegen liebe ich meinen "Urlaubs-Dad". Aber ich glaube,
gerade meinem Bänker-Papa werde ich später sicher sehr Dankbar sein, wenn ich alt und in Rente
bin und hoffentlich nicht jeden Cent umdrehen muss.
Meine Großeltern mütterlicherseits waren schon immer sehr sehr herzlich und liebevoll. Bei
meinen Großeltern herrschte immer eine heile Welt Harmonie. Ich habe früher häufig bei den
beiden übernachtet und habe mich immer sehr wohl und geborgen gefühlt.
Als ich knapp 3 war, waren meine Eltern in den USA und ich war zwei Wochen bei Oma und Opa. Ich
kann mich nicht mehr so gut daran erinnern, aber ich glaube, dass ich durch die "lange Zeit am
Stück" als Kleinkind eine engere und vertrauensvolle Bindung aufbauen konnte, als zu meinen
anderen Großeltern.
Als mein Papa wegen der Krebsdiagnose viel im Krankenhaus und meine Mama häufig bei ihm war, bin
ich viel bei meinen Großeltern geblieben. Ich kann mich noch daran erinnern, dass sie mir immer
das Gefühl vermittelt haben, dass wieder alles gut wird und das habe ich den beiden auch
geglaubt.
Meinem Opa merkt man immer sehr schnell an, wenn ihm etwas auf dem Herzen liegt. Er ist dann
immer sehr ruhig, nicht so aufgedreht wie er sonst ist und erzählt auch weniger von Früher.
Meinen Großeltern war es schon immer sehr wichtig, Nähe durch Umarmungen zu zeigen. Gerade mein
Opa zerdrückt einen immer fast beim verabschieden. Mir zeigt das immer, wie doll er mich gern
hat und das er mich vermisst. Meine Oma wirkt auch mich immer ein bisschen wie die stärkere
Persönlichkeit, ich habe immer das Gefühl, dass sie für meinen Opa stark ist und ihm auch immer
das Gefühl geben möchte, dass er sich später keine Sorgen um sie machen muss, da er 10 Jahre
älter ist. Mein Onkel ist vor vielen Jahren ebenfalls nach Hamburg gezogen. Ich glaube, dass
mein Opa das damals bei meinem Umzug beruhigt hat, dass ich ein Stückchen Heimat in Hamburg
habe. Jedes Mal wenn ich mich von ihm verabschiede, sagt er den gleichen Satz: Pass auf dich
auf, Hamburg ist ein hartes Pflaster. Und je älter er wird, desto trauriger wirkt er auf mich,
wenn wir uns verabschieden und er diesen Satz sagt.
Zu meinem verstorbenen Opa hatte ich immer ein recht neutrales aber dennoch harmonisches
Verhältnis. Mein Opa väterlicherseits hat seine Gefühle selten gezeigt. Nur als Oma mal im
Krankenhaus lag, hat man ihm angemerkt wie elendig er sich fühlt und wie wichtig Oma ihm
eigentlich ist.
Ich glaube er hat sich immer sehr gefreut, wenn ich ihn gedrückt oder mit seinen paar Haaren auf
dem Kopf gespielt habe. Oder wenn ich, wie er, zum Frühstück Zwieback mit Kakao gegessen habe.
Ich denke es waren die kleinen Dinge, die ihn als Opa stolz gemacht haben, auch wenn er das nie
richtig klar gesagt hat. Typisch alte Generation also. Andererseits bin ich einmal als Kind auf
den Hühnerstall geklettert und eingebrochen. Zum Glück ist mir nichts passiert und auch kein
Huhn ist dabei zu Schaden gekommen. Ich hab nur kurz ärger bekommen, aber das war´s. Generell
hab ich immer gerne bei meinem Opa im alten Schweinestall gespielt. Und ich habe heute noch den
Geruch von Stall und Zigarette in der Nase, wenn ich an meine Kindheit denke.
Ich erinnere mich immer sehr gerne an einen bestimmten Moment mit ihm zurück. So makaber es auch
klingt, aber es ist der Moment als ich meinen Opa damals im Krankenhaus das letzte Mal vor
seinem Tod gesehen habe. Mir war es damals gar nicht "so bewusst", dass es wirklich das letzte
Mal sein könnte. Mein Opa hat es aber gewusst und gemerkt. Als wir gehen wollten, hat er meine
Hand noch einmal ganz ganz fest gedrückt und mir lange in die Augen geguckt. Das war wohl der
innigste und vertrauensvollste Moment, den mein Opa und ich hatten. Ich bekomme immer noch
Tränen in den Augen wenn ich daran denke, und trotzdem ist es mein Lieblingsmoment mit ihm.
Meine Oma väterlicherseits war schon immer ein bisschen verschlossen und in ihrer eigenen Welt.
Sie hatte eine schwere Kindheit, wurde adoptiert und hat ihre Zwillinge während einer Fehlgeburt
verloren. Seit meine Oma dement ist, hat sie sich noch mehr zurückgezogen und nimmt immer
weniger am aktiven Leben teil. Ich vermute, dass ihre Kindheit auch eine große Rolle spielt und
sie vieles aus der Vergangenheit verdrängt hat.
Meine Oma war früher immer sehr lieb und herzlich zu mir und hat sich immer sehr über meine
Besuche gefreut. Ich glaube sie konnte manchmal nicht so viel mit mir anfangen und war immer
viel beschäftigt in Küche und Garten. Daher habe ich schon als Kind früh gelernt, mich alleine
zu beschäftigen, da ich ja auch Einzelkind bin. Immer wenn ich bei meinen Großeltern zu besuch
war, hat mich meine Oma dazu motiviert, die Kinder aus der Nachbarschaft zu besuchen. Ich
glaube, dass ich auch ihr zu verdanken habe, dass ich gut auf andere Menschen zu gehen und
schnell neue Bekanntschaften schließen kann. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass meine
Oma mir immer ein ganzes Stück zur Sicherheit mit dem Fahrrad hinterher gefahren ist. Als
kleines Kind hab ich mich immer sicher gefühlt, wenn sie das tat.
Heute habe ich immer Angst vor dem Tag, an dem sie mich nicht mehr erkennt. Ich weiß, dass der
Moment irgendwann kommen kann, aber ich hoffe, dass sie mich noch lange als ihr Enkelkind
erkennt, wenn ich sie besuche.