#project:distracted {

Info

geschrieben
gelesen
Ablenkungen
geschrieben
gelesen
Schreiben in Min
00
05
10
15
20
25
30

(geschrieben) (28.12) (Gedanken)

Verstricken – verknüpfen – verbinden – verknoten – ein Netzwerk schaffen. Inwiefern können Handarbeiten feministisch sein? Waren Handarbeiten schon immer weiblich konnotiert? Kann häkeln/stricken feministischen Protest supporten?
Immer mehr meiner Freund*innen häkeln oder stricken – die meisten haben gerade erst damit angefangen oder es als Kind gelernt und jetzt wieder für sich entdeckt. Viele dieser Freund*innen kenne ich aus dem Aktivismus. Auch ich habe gerade erst mit dem Häkeln begonnen und habe es nicht von meiner Mutter oder Großmutter gelernt – stattdessen habe ich das erste Mal bei einem feministischen Ausstellungsstück einer Kommilitonin gehäkelt und mir wurde es dort von einer Kommilitonen beigebracht. Am gleichen Tag wurde ich auch zum ersten Treffen einer feministischen Gruppe von einer Freundin eingeladen!
In dieser feministischen Gruppe, in der ich mich regelmäßig mit anderen FLINTA* treffe, häkeln, stricken, kochen oder basteln wir vor allem – alles typisch weiblich konnotiert. Es dient uns als Safespace: Wir tauschen uns über persönliche und politische Themen aus, empowern uns gegenseitig, bringen uns neues bei, gehen gemeinsam zu Ausstellungen oder Konzerten von FLINTA*. Wir alle sind mehr oder weniger aktivistisch tätig.

(geschrieben) (08.01) (Gedanken)

Lässt es sich mit Coding verbinden? Coding wird eher Männern zugeschrieben, Kontrast zu Handarbeiten – Empowerment von FLINTA*? Auch hier werden Inhalte miteinander verstrickt – verknüpft (link) – vernetzt. Ist das auch eine Handarbeit? Kann man es genauso einfach und schnell lernen? Kann man auch mit wenig Wissen was einfaches erstellen? Kann man »Muster« einfach nach programmieren? Gibts schon feministische Programmier-Gruppen?
Kann aus einem typischen Frauen zugeordneten Metier überhaupt ein feministisches Projekt werden oder wird es von außen einfach als ein weibliches Projekt von Frauen angesehen und knüpft eher an die alte Tradition an, dass sich Frauen gegenseitig die Handarbeit beibringen? Muss es eher ein neues Hobby sein was gerade nicht mit Frauen assoziiert wird – wie coden? Kann man das verknüpfen? Oder geht es garnicht darum was man macht, sondern darum Menschen zu verbinden, Geschichten auszutauschen, einen Safespace zu bieten, einen offenen Raum wo wir uns austauschen können, wo wir uns Neues beibringen, wo wir gemeinsam an etwas arbeitet (egal was nachher entsteht oder ob überhaupt etwas entsteht), wo wir feministisch denken und austauschen, wo wir uns gegenseitig stärken? Gibts sowas in Hamburg?

Ablenkungen in Min
05
10
15
20
25
30
35

(gelesen) (16.01) (Quelle ) (Geschichte)

(Quelle ) (Geschichte)

Critical Crafting Circle: Craftista! Handarbeit als Aktivismus, Ventil Verlag KG

Verstrickt und zugenäht? Die Handarbeit, die Kunst, die Mode und ihre LiebhaberInnen, Verena Kuni

Wer hätte das gedacht: Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Weltraum-Eroberung war gestern. Stattdessen haben Stricken, Häkeln, Nähen und Sticken Hochkonjunktur. Ausgerechnet jene, gern als »weiblich« bezeichneten, Handarbeitstechniken, die bis dato doch gerade nicht als Ausweis irgendeiner aufgeweckten Haltung, geschweige denn einer künstlerischen Avantgardeposition funktionieren konnten, gelten in Popkultur, Mode und Kunst auf einmal als hip. Um nicht zu sagen: Radikal chic.
Wie kann das sein? Oder ist das schon die falsche Frage – sollte man sich nicht einfach freuen über einen großen Schritt in Richtung Gleichberechtigung der Geschlechter, der in diesem Fall eben in einer Aufwertung der »weiblichen« Handarbeitstechnik besteht?

Langes Fädchen ...
»... faules Mädchen«. So sagt es jedenfalls der sogenannte Volksmund. Nun, man muss weder faul noch ein Mädchen sein, um seine Erfahrungen mit langen Fädchen zu machen. Und die lohnen eigentlich in jedem Fall. In der Praxis sieht es nämlich so aus: Mit einem kurzen Faden geht es scheinbar erst einmal leichter – dafür muss die Arbeit umso häufiger unterbrochen und der Strang jedes Mal aufs Neue eingefädelt werden. Ein langes Fädchen indes verlangt vielleicht etwas mehr Konzentration und Genauigkeit. Dafür kann man dranbleiben. Und wenn doch etwas schiefgeht? Braucht es eben etwas Geduld, um die Verwirrung zu lösen – oder im Zweifelsfall auch mal einen klaren Schnitt, nach dem man neu ansetzen kann. Das gilt im Übrigen ganz ähnlich auch für jenen langen Faden, um dessen gegenwärtige Verflechtungen und Enden es im Folgenden gehen soll: Die Beziehungen zwischen textiler Handarbeit, Kunst und Mode, ihren ProduzentInnen und ihren Rezipientlnnen in verschiedenen Kontexten und Öffentlichkeiten. Ohne die textile Metaphorik – die in diesem Komplex schnell zur Hand, aber keineswegs immer so geschmeidig zu verarbeiten, ist – zu überdehnen, bietet sich das Bild des Fadens in mehrfacher Hinsicht an. Mit Blick auf die unterschiedlichen Stränge, aus denen er gewirkt ist ebenso wie mit Blick auf die Tatsache, dass eine Vielzahl von Faktoren und Konditionen darüber entscheiden, wohin seine Verarbeitung führt. Dabei müssen nicht nur die jeweiligen Ästhetiken und Politiken interessieren, sondern auch deren Motivationen. Also allem voran die Frage, warum und von wem der Faden aufgenommen wird. Mit Weisheiten aus dem Volksmund kommt man allerdings nicht sehr weit – auch wenn es gute Gründe gibt, solche und andere Überlieferungen von »Folklore« im Blick zu behalten. Auf entsprechend tradierte Ansichten, Muster und Formationen lässt sich nämlich immer wieder stoßen, bis in die jüngste Gegenwart hinein. Verstrickt und zugenäht!?
Diese Gemengelage soll nun also der Ausgangspunkt sein, um zu fragen: Was ist es, das Stricken, Häkeln, Nähen und Sticken heute so anders, so anziehend macht(1) – nicht nur, aber auch in Mode und Kunst? Hat sich wirklich Entscheidendes geändert? Wenn ja: was fangen wir dann mit den langen Fäden an, die eben doch nach wie vor mitzulaufen scheinen?

Verflechtungen und Verstrickungen
In der Tat, da sind sie wieder: Frauen, die sich in stiller Konzentration über ihre Nadelarbeiten beugen. Die einsam oder auch gemeinsam, im trauten Kreis eines Handarbeitskränzchens sitzend, ganz in ihrer Arbeit aufzugehen scheinen, die stolz die Ergebnisse ihre Fleißes präsentieren. Ihre Bilder begegnen uns in Zeitungen und Magazinen, im Fernsehen und im Internet. Und eben auch: in der Kunst.
Vertraute Bilder? Ja und nein. Die Kunstgeschichte ist durchaus reich an einschlägigen Motiven, bis weit in die sogenannte Moderne hinein.(2) Von der Romantik und dem Biedermeier bis zum Realismus und Impressionismus bleiben die Handarbeitenden ein beliebtes sujet das lediglich dem Zeitgeschmack entsprechende Variationen und Interpretationen erfährt – und sich dementsprechend nachhaltig im kulturellen (Bild-)Gedächtnis festgesetzt hat.(3) Auffallen kann allerdings, dass auch die historischen Bilder – wie etwa die Genre-Idyllen mit strickenden Mädchen, die der Schweizer Maler Albert Anker um 1900 in Öl auf Leinwand bannte(4). – in jüngerer Zeit wieder an Popularität zu gewinnen scheinen. Tatsächlich begegnen sie uns längst nicht mehr allein als Illustrationen in Büchern, die sich mit der Geschichte der Handarbeit beschäftigen(5), sondern – sogar weitaus häufiger – in Blogs und auf Webseiten von Menschen, vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) weiblichen Geschlechts, die von – und manchmal auch mit – Textilem handeln. Unter diesen wiederum sind zwar durchaus nicht wenige Frauen, die sich als hauptberufliche Hausfrauen und Mütter vorstellen – was erst einmal sattsam bekannten Klischees entsprechen respektive zuarbeiten würde. Indes finden sich aber bereits in dieser Gruppe auffällig viele, die ihre Handarbeit zur Basis eines kleinen Unternehmens gemacht haben oder zu machen versuchen. Und nicht wenige derer, die entsprechende Webseiten und Blogs betreiben entpuppen sich als professionelle (Mode-)DesignerInnen und/oder KünstlerInnen, welche die textilen Handarbeitstechniken für sich entdeckt haben. Was alle diese durchaus unterschiedlich motivierten Aktivitäten eint, ist ein scheinbar weitgehend ungebrochener Enthusiasmus für die Handarbeit.

Tatsächlich findet auch die Wahrnehmung von Handwerk und Handgearbeitetem neuerdings insgesamt verstärkt unter positiven Vorzeichen statt.(6) Und dies führt offenbar auch zu einer Aufwertung textiler Kultur bzw. des Bildes von textiler Kultur(produktion) insgesamt, die anscheinend so manchen tradierten Vorbehalt in den Hintergrund treten lässt. Eine Entwicklung, die durchaus erstaunen kann und zwar ganz besonders, wenn man sie vor einem Horizont betrachtet, der auch die Geschlechterverhältnisse mit einbezieht. Schließlich gilt gerade die textile Handarbeit als Paradebeispiel für den problematischen Komplex einer Hausarbeitsökonomie(7), die Frauen in der Bindung hält indem sie familiäre Fürsorge und unentlohnte Arbeit – und zudem eine »Beschäftigung um der Beschäftigung willen«, welche Teil eines umfassenderen Erziehungskomplexes ist(8) — auf unselige Weise miteinander verknüpft. Zugleich wirkten ihrer Anerkennung als kreative oder gar künstlerische Tätigkeit seit der Moderne, die schließlich auch eine teilweise Befreiung oder Freistellung aus diesem Komplex ermöglicht hätte, erhebliche Kräfte entgegen: Gerade ihre Assoziation mit dem weiblichen Geschlecht war Anlass ihrer Herabwürdigung bzw. Hintanstellung in der traditionell gepflogenen Hierarchie der Künste.(9) Daran hatten bis dato weder feministische noch künstlerische Interventionen und deren Allianzen viel ändern können. Und nun soll auf einmal alles ganz anders sein? Tatsache. Es sieht ganz danach aus. Stricken, Häkeln, Nähen und Sticken sind neuerdings chic, um nicht zu sagen: »radikal chic«(11) — und selbst auf den historischen Bildern ruht ein Blick des Wohlgefallens.
Warum eigentlich? Ist es der endgültige Abschied aus dem Zeitalter der Industrialisierung, im Zuge dessen nicht nur die seit je als kultverdächtig geltenden Errungenschaften des 19. Jahrhunderts noch einmal kräftig gefeiert werden,

sondern offenbar auch eine generelle Nostalgie aufkommt? Oder verdankt sich die Wiederentdeckung der Tradition in diesem Fall dem neuen Interesse an der materiellen Kultur, an Handwerk und an Handgearbeitetem – was seinerseits wiederum nicht ausschließlich, aber durchaus auch mit der weiter wachsenden Präsenz und gefühlten Dominanz elektronischer Medien im Alltag zu tun haben dürfte?(12) Welche Rolle spielen die historischen Dimensionen der Handarbeit überhaupt für die aktuelle Produktion und Rezeption – also einerseits für jene, die sich heute aus freien Stücken als Künstlerinnen mit Handarbeitstechniken befassen und andererseits für jene, denen entsprechende Arbeiten im Feld der Kunst begegnen? Welche Bedeutung haben in diesem Zusammenhang nationaleTraditionen? Welche Verschiebungen sind hier in Zeiten der sogenannten Globalisierung zu beobachten und inwiefern gibt es nach wie vor bezeichnende Unterschiede?
Natürlich lassen sich Fragen wie diese nicht in einem Satz beantworten. Vielmehr verweisen sie ein weiteres Mal darauf, dass es sich hier nach wie vor um einen Komplex handelt, in dem – und damit sind wir wieder bzw. bleiben wir wieder im Bild – zahlreiche Fäden zusammenlaufen, insofern Technologie, Ökonomie und Gesellschaft, Ästhetik, Kultur und (Geschlechter-)Politiken in ihren historischen und gegenwärtigen Konstellationen auf vielfache Weise miteinander verflochten sind. Anders gesagt: Wer in diese Komplex agiert, ist sozusagen immer schon »verstrickt«.

Neue Maschen
Auf der Suche nach Antworten kann man zunächst natürlich dort fündig werden, wo sich der neue Handarbeitsenthusiasmus seit einiger Zeit besonders prägnant bemerkbar macht: Im World Wide Web, genauer gesagt in jenem Teil des WWW, der gern als Web 2.0 oder »Social Web« bezeichnet wird – also in Blogs, Foren und Gemeinschaftsportalen. Sie haben – wie in vielen anderen gesellschaftlichen und kulturellen Feldern auch – den AkteurInnen zur Sichtbarkeit verholfen und für eine breite lokale, nationale, mitunter auch internationale Vernetzung gesorgt, sowie auf diesem Wege der Information, Kommunikation und Multiplikation jene Dynamik eingetragen, die für die Genese und Verbreitung von Trends entscheidend ist. Ein derartiges Ineinandergreifen von »Vorsprung durch Technik« und mit Letzterem aufs Engste verknüpften sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Effekten ist per se weder neu noch singulär. Speziell für den hier zur Debatte stehenden Komplex ist seine Bedeutung jedoch nicht zu unterschätzen. Weniger, weil im Zuge dessen tradierte Geschlechterstereotypen und -dichotomien in Bezug auf das Verhältnis von »Frauen« und »Technik« erschüttert würden – schließlich zeichnet sich das sogenannte Web 2.0 gerade dadurch aus, dass es auch Menschen, die nur rudimentäre Kenntnisse im Umgang mit digitaler Netzwerktechnologie besitzen, eine aktive Partizipation sowie das Publizieren von Inhalten online ermöglicht. Indes braucht Handarbeit auf Seiten der Produktion neben technischen Kenntnissen und Fähigkeiten, Geschick und idealerweise Kreativität vor allem eins: Zeit. Zeit, die eben nicht gleichzeitig für andere Dinge wie beispielsweise aufwändiges Anlegen und Verwalten von Homepages verwendet werden kann. Da für Gebrauch und Wertschätzung textiler Produktionen Material-und Objektqualitäten entscheidend sind, lässt sich ihr Wirkungsfeld zudem nicht so ohne weiteres in den Raum der digitalen Netzkultur übertragen – es bedarf vielmehr einer Vermittlungsleistung und entsprechender (Medien-)Kompetenz. Diesem Bedarf arbeiten die Werkzeuge, die das Web 2.0 zur Verfügung stellt, ebenfalls zu. Es ist also nicht etwa so, dass die Netzaffinität der »neuen Maschen« beziehungsweise der »Craftistas« und »craftivistas«(13) automatisch etwas mit besonderen Potentialen von »Frauen in elektronischen Schaltkreisen« zu tun hätte, wie sie cyberfeministische Utopien à la Sadie Plant im Anschluss an Donna Haravvay imaginierten. (14) Intelligente Verbindungen zwischen textilen Techniken und digitalen Technologien sind deshalb aber natürlich nicht ausgeschlossen.(15)
Tatsächlich stellt sich die zeitgenössische Handarbeitskultur im World Wide Web als ebenso breit wie inhomogen dar. Das gilt generell wie auch speziell für jene, die sich explizit mit einem Begriff des »Radical Crafting« und des »Craftivismus« identifizieren beziehungsweise deren Netzpräsenz mit einschlägigen Claims und Bildern ausgestattet ist.(16) Anders gesagt: Eine »Black Flag« auf Wollmütze und Webseite meint noch lange keine Gesellschaftskritik – und mit Feminismus muss Handarbeitsaktivismus erst recht nicht einhergehen. Mitunter wird nämlich einfach nur die Leidenschaft fürs Selbermachen entsprechend vehement vorgetragen und mit den längst modisch-popkulturell sanktionierten Insignien von Widerständigkeit ausstaffiert. Auch über »neue Maschen« lassen sich alte Muster tradieren.(17)
Aber es gibt natürlich umgekehrt nicht nur neue ästhetische Ansätze und Strategien im Bereich des Textildesigns, die mit dessen Konventionen und Traditionen brechen und deshalb unter dem Rubrum des »Radical Crafting« firmieren.(18) Sondern auch eine Vielzahl von »CrafitivistInnen«, die textile Handarbeit als Werkzeug und Medium für politischen Aktivismus einsetzen etwa für Interventionen im öffentlichen Raum, die unter »Guerilla Knitting« oder »Yarn Bombing« firmieren und in deren Zuge Ampeln, Straßenlaternen, Stoßstangen oder Parkbänke bestrickt, behäkelt oder gar bestickt werden.(19) Wenn Letzteren das Web vor allem als Kommunikationsmedium und Multiplikator dient, lassen sich schließlich auch Aktivistinnen und Künstlerinnen finden, die textile Handarbeit gezielt mit digitalen Technologien verknüpfen und dabei ebenfalls das Netz mit einbeziehen. Besonders Prominente Beispiele: der kanadische Revolutionary Knitting Circle oder Cat Mazzas Projekt microRevolt, die unter anderem beide die vernetzte Vorbereitung von Aktionen mittels webbasierter Strickmuster-Generatoren ermöglich(t)en.(20) Überblickt man das Feld, fallen nationale Differenzen auf: Sowohl der Nukleus der Aktivitäten als auch der überwiegende Teil der Projekte ist im angloamerikanischen Raum situiert, den USA, Kanada, Australien und Großbritannien. Andere Sprachräume und Nationen spielen im Vergleich allenfalls eine marginale Rolle – und das gilt auch für den deutschsprachigen Raum, also Deutschland, Österreich und die Schweiz. Dies und die Tatsache, dass hierzulande gerade erst »ankommt«, was jenseits des Atlantiks nach guten zehn Jahren des Wachstums längst in der Konsolidierungsphase angekommen ist, nicht allein mit der Dominanz des Englischen als sogenannter »lingua franca« zu tun, die allen Nicht-Spracheingeborenen eben doch immer etwas mehr Mühe bereitet.

Und auch nicht allein damit, dass sowohl die Netztechnologie als auch ihr sozialer Gebrauch im angloamerikanischen Raum und insbesondere in den USA über einen historischen Vorsprung verfügt. Vielmehr haben auch das Selbermachen und die Do-it-yourself-Kultur insgesamt eine jeweils andere kulturelle Einbettung, Geschichte und Tradition, was ihren jeweiligen Stellenwert in der Gesellschaft auf entscheidende Weise prägt, formt und bestimmt.(21) Ganz ähnlich gilt das auch für die Felder der professionellen Kunst und der Mode bzw. des Mode-Designs, deren Betriebssysteme nicht erst seit das sogenannte »Zeitalter der Globalisierung« ausgerufen worden ist, international funktionieren – die aber auch immer in einem lokalen, von besagten nationalen Traditionen und Konditionen geprägten Kontext stehen. Und dies wirkt sich auch auf die Formierung und die Wahrnehmung, Produktion und Rezeption von Praktiken und Diskursen aus, die sich an den Schnittstellen dieser Felder Do it yourself in Alltags- und Popkultur, Kunst und Modedesign – bewegen.

(Quelle) Critical Crafting Circle: Craftista!: Handarbeit als Aktivismus, Ventil Verlag KG, 10.2011, S. 74–80.

(1) In Anlehnung an den Titel von Richard Hamiltons Pop-Art-Collage »Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?« (1956)

(2) Der Beginn der Moderne wird in der Kunstgeschichte in Korrespondenz zur Epoche der Industrialisierung ab dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts angesetzt. Speziell zum »alten« und »neuen« Image des Handarbeitszirkels vgl. weiterführend Verena Kuni: New Order? (Re-)Fashioning the Crafting Circle: Aesthetics and Politics of Neediecrafts Collectives Then and Now. In: Dorothea Mink / Andrea Sick (Hg.): Out of Order. Bremen: AdK 2011 (im Druck)

(3) Vgl. z. B. Gail Carolyn Sirna: Frauen, die nie den Faden verlieren. Handarbeitende Frauen in der Malerei von Vermeer bis Dalf. München: Sandmann 2007

(4) Vgl. den Ausstellungskatalog des Kunstmuseum Bern (Hg.): Albert Anker – Schöne Welt. Bern: Stämpfli 2010

(5) Vgl. z. B. für das Stricken bzw. Strickerinnen: Sylvia Greiner: Kulturphänomen Stricken. Das Handstricken im sozialgeschichtlichen Kontext. Freiburg i. Brsg.: B. A. Greiner 2002; Jutta Lammer: Das große Ravensburger Lexikon der Handarbeit. Ravensburg: Ravensburger 1985

(6) Vgl. Richard Sennett: Handwerk. Berlin: Berlin-Verlag 2008. Erwähnenswert ist, dass Sennett zum Handwerk – welches sich dadurch auszeichnet, dass es mit Sorgfalt und Professionalität betrieben wird - auch das Programmieren zählt (und am Rande auch auf die Diskiminierung weiblicher Hand- und Hausarbeit verweist, die dieser letztlich auch die Wertschätzung als Handwerk verweigert).

(7) Vgl. zum Komplex der Hausarbeitsökonomie kompakt: Donna Haraway Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften. In: Carmen Hammer / Immanuel Stieß (Hg.): Donna Haraway: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt a. M. u. New York: Campus 1995, S. 33-72

(8) Dagmar Ladj-Teichmann: Weibliche Bildung im 19. Jahrhundert. Fesselung von Kopf, Hand und Herz? In: Ilse Bremer / Juliane Jacobi-Dittrich / Elke Kleinau/Annette Kuhn (Hg.): Wissen heißt leben. Beiträge zur Wissensgeschichte von Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. Düsseldorf: Schwann 1983, S. 219-243

(9) Vgl. zum Sticken: Rozsika Parker: The Subversive Stitch. Embroidery and the Making of the Feminine. London: The Women's Press 1984; zum Stricken Anne L. Macdonald: No Idle Hands. The Social History of American Knitting. New York: Ballantine Books 1988

(10) Vgl. Silke Tammen: »Seelenkomplexe und »Ekeltechniken«. Von den Problemen der Kunstgeschichte und der Kunstkritik mit »Handarbeit«. In: Anja Zimmermann (Hg.): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung. Berlin: Reimer 2006, S. 215-239; weiterf. Elisa Aulther: String, Felt, Thread: The Hierarchy of Art and Craft in American Art. Minneapolis: Univ. of Minnesota Press 2009 sowie die Beiträge in Jennifer John / Sigrid Schade (Hg.): Grenzgänge zwischen den Künsten. Inter-ventionen in Gattungshierarchien und Geschlechterkonstruktionen. Bielefeld: transcript 2008

(11) Diesen Begriff führte Tom Wolfe urspr. für die glamouröse Appropriation eines radikalen u. subversiven Gestus durch die New Yorker Oberschicht ein, vgl. Tom Wolfe: Radical Chic: That Party at Lenny's, In: New York [Magazine], 08.06.1970; deutsch in: ders.: Radical Chic und Mau Mau hei der Wohlfahrtsbehörde. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 1985

(12) Vgl. hierzu weiterf. Verena Kuni: Wenn aus Daten wieder Dinge werden – From Analog To Digital And Back Again? In: Elisabeth Tietmayer u. a. (Hg.): Sprache der Dinge. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die materielle Kultur. Münster u. a.: Waxmann 2010, sowie S. 185-193

(13) Während ersterer Begriff allgemein für Handarbeits-Enthusiastinnen steht, meint letzterer dezidiert jene, die Handarbeit und Aktivismus bzw. politisches Engagement miteinander verknüpfen.

(14) Vgl. Donna Haraway, (Anm. 7) sowie Sadie Plant: Zeros + Ones. Digital Women and the New Technoculture, New York, London: Routledge 1996: dtsch. Übs.: nullen + einsen. Digitale Frauen und die Kultur der neuen Technologien. Berlin: Berlin-Verlag, 1998. Plant schreibt Frauen unter Verweis auf die Vorgeschichte des Computers im mit Lochkarten betriebenen Webstuhl sowie aufgrund ihrer »soft skills« eine besondere Affinität zu digitalen und Netzwerk-Technologien zu.

(15) Gemeint sind Projekte, die direkt digitale Technologien und Netzwerke einbeziehen – etwa, indem Strickmustergeneratoren online verfügbar, Strickmaschinen neu programmiert und/oder gemeinsam Open Source-Programme für deren Betrieb entwickelt werden; vgl. hierzu weiterf. SoftwAreZ. Of Moths and Microrevolts. In: Tristan Weddigen (Hg.): Metatextile. Identity and History of a Contemporary Art Medium. Berlin: Ed. Imorde 2011, S. 117-127

(16) Vgl. z. B. http://radicalcrossstitch.com oder www.craftivism.org, craftyandde-vious.wordpress.com/tag/radical-craft-adelaide [01.02.2011]

(17) Vgl. weiterf. Verena Kuni: »Not Your Granny's Craft«. Neue Maschen – Alte Muster. Ästhetiken und Politiken von Nadelarbeit zwischen Neokonservatismus, New Craftivism und Kunst. In: Jennifer John / Sigrid Schade (Hg.): Grenzgänge zwischen den Künsten. Interventionen in Gattungshierarchien und Geschlechterkonstruktionen. Bielefeld: transcript 2008, S. 169-191

(18) Vgl. z. B. Garth Johnsons Webseite und Blog »Extreme Craft«, www.extremecraft.com / www.extremecraft.typepad.com, Joshua G. Steins Studio »Radical Craft« (www.radical-craft.com) oder die »Radical Crafts«-Gruppe der Plattform »Creating the Hive«, http://creatingthehive.com/group/indiecrafts [01.02.2011]

(19) Vgl. z. B. die von Magda Sayeg initiierte und inzwischen aufgelöste Gruppe »Knitta please!« www.magdasayeg.com und http://knittaporfavor.wordpress.com (die Domain www.knitta.com steht inzwischen zum Verkauf) und yarnbom-bing.com [01.02.2011] sowie Mandy Moore / Leanne Prain: Yarn Bombing. The Art of Crochet and Knit Graffiti. Vancouver 2009; dtsch.: Strick Gratfits Kuscheliges für Mauern, Ampeln und Bäume. Street Art stricken und häkeln München: Droemer-Knaur, 2011

(20) Vgl. für den »Revolutionary Knitting Circle« ehem. http://knitting.activist.ca (die Seite ist noch immer erreichbar, die Inhalte jedoch nur noch über archive.org einzusehen) und www.microrevolt.org [01.02.2011] sowie weiterf. Verena Kuni, (Anm. 2 / Anm. 15)

(21) Vgl. hierzu auch das von d. Verf. co-kuratierte Ausstellungsprojekt »Da It Yourself — Die Mitmach-Revolution«, Museum f. Kommunikation Frankfurt a. M. u. das Begleitbuch gleichen Titels, Hg.: Hartmut Gold / Annabeile Hornung / Verena Kuni Christine Nowak, Mainz: Ventil 2011

(22) www.criticalcraftingircle.net [01.02.2011]



(geschrieben) (16.01) (Handarbeiten, Aktivismus)

Traditionell gelten Handarbeiten wie Stricken oder Häkeln als typische weibliche Tätigkeiten und etwas für »gute Hausfrauen«(1). Um 1855 war das Selberstricken von Kleidungsstücken bei Frauen weit verbreitet und wurde als »sinnstiftende Produktions- und Beschäftigungsform«(2) angesehen. Zudem wurde es als familiäre Fürsorge angesehen und war eine untentlohnte Arbeit. Später im ersten und zweiten Weltkrieg wurde das Stricken von Socken und warmer Kleidung als Kriegsdienst der Frauen zuhause genutzt. Bei Frauen, die keine Kleidung für die Front stricken wollten, wurden es als Kriegsdienst-Verweigerung angesehen – das häusliche Stricken wurde damit das erste Mal politisch.(3)
Schon im späten 18. Jahrhundert zeigten Frauen mithilfe ihres Strickens in der französischen Politik ihre Meinung. Sie hatten zwar kein Mitspracherecht, saßen aber auf der Zuhörerinnenbänken, strickten laut und drückten damit aus was sie vom Politischen hielten. Später ändert sich viel durch die Industrialisierung und mehr Frauenrechten – und somit auch neuen Berufsmöglichkeiten für Frauen, sodass auch die Handarbeiten, die vor allem genutzt wurden, um warme Kleidung zu stricken, nicht mehr so wichtig ist.

(1) Critical Crafting Circle: Craftista!: Handarbeit als Aktivismus, Ventil Verlag KG, 10.2011, S. 8.

(2) ebd., S. 12.

(3) vgl. ebd., S. 13.

(geschrieben) (23.01) (Geschichte)

Im 21. Jahrhundert »gelten [Stricken und Häkeln] in Popkultur, Mode und Kunst auf einmal als hip«(1). Dies führte zu einer Aufwertung der Handarbeiten, die klassisch als weiblich galt. Hat sich wirklich Stricken und Häkeln verändert? Ist es heute wirklich nicht mehr »typisch weiblich«? Oder kann sich die Bedeutung gar nicht verändert, da die Fäden aus der Vergangenheit immer noch mitlaufen und mit dem gesellschaftlichen Blick auf die Handarbeiten noch immer verknüpft sind? »Wer in diesem Komplex agiert, ist sozusagen immer schon »verstrickt«.«(2) In der Kunst waren Handarbeiten und Arbeit mit Textilien schon lange vertreten. Da diese Form der Kunst hauptsächlich mit Frauen assoziiert wurde, wurde es nicht so hoch angesehen wie andere Künste.
Der Handarbeitshype ist auch durch Foren und Blogs im Internet groß geworden. Durch das einfache Publizieren (Web 2.0) können nun auch »Amateur*innen« ihre Inhalte teilen. Das bedeutet aber nicht dass nun durch neue Medien neue Ansprüche ans Häkeln oder Stricken entstanden sind, sondern »[a]uch über »neue Maschen« lassen sich alte Muster tradieren.« Außerdem wurden die Handarbeiten für politischen Aktivismus genutzt – zuerst hauptsächlich im englischen Sprachraum – sogenannte »Craftivist*innen« nutzten es um ganze Ampeln oder Parkbänke mit einzuhäkeln oder stricken. Um die Aktionen zu verbreiten, wurde das Internet genutzt. Zudem bildeten sich in vielen Orten Näh-/Strickgruppen, es gab viele Bücher zum Thema und auch in vielen Ausstellungen war das Thema vertreten. Erst deutlich später schwappte der Trend auch nach Deutschland rüber.

(1) Critical Crafting Circle: Craftista!: Handarbeit als Aktivismus, Ventil Verlag KG, 10.2011, S. 74.

(2) ebd., S. 78.

(geschrieben) (02.02) (Geschichte)

»Faden als Verbindung«(1)
Wie passt die Handarbeit noch in die heutige Zeit? Damals waren die Handarbeiten eher zuhause zu verorten und damit »keine Ermächtigung für öffentliches Handeln.«(2) Obwohl die Handarbeiten im Laufe der Zeit die Wichtigkeit verloren hat, hat »mit der Hand arbeiten« noch immer einen »besonderen Wert«(3).

(1) Critical Crafting Circle: Craftista!: Handarbeit als Aktivismus, Ventil Verlag KG, 10.2011, S. 88.

(2) ebd., S. 95.

(3) ebd., S. 95.

(gelesen) (06.02) (Quelle ) (Kunst)

(Quelle )

Hannah Ryggen – Die webende Widerständlerin

Von einem kleinen autarken Bauernhof an der Westküste Norwegens aus, formuliert in den 1930er Jahren eine unscheinbare, doch selbstbewusste Künstlerin eine mutige politische Botschaft gegen die faschistischen und nationalistischen Machenschaften in Europa. Auf monumentalen Wandteppichen lanciert die Künstlerin Hannah Ryggen bildliche Angriffe auf Hitler, Franco und Mussolini und setzt sich damit für die Opfer von Faschismus und Nationalsozialismus ein. Es sind visuelle Manifeste, kompromisslos, mutig – doch lange kaum von der Kunstwelt wahrgenommen. Dabei ist ihr politisch inspiriertes Werk in Wolle von erschütternder Aktualität. Kurz vor ihrem Tod betritt die Künstlerin auf der Biennale in Venedig erstmals die internationale Bühne, ein kurzes Aufleuchten am Kunsthimmel, danach stürzt ihr Werk für 50 Jahre ins Vergessen. Doch wie gelang dieser ungewöhnlichen Frau der Weg von ihrem kargen Bauernhof ins prestigeträchtige Venedig?

Per Abendschule zur Künstlerin
Nichts, was Hannah Ryggen in ihrem Leben erreicht, ist ihr in die Wiege gelegt. In einem Arbeiterhaushalt im schwedischen Malmö geboren wird sie auf Drängen der Mutter zunächst Grundschullehrerin. Doch bald ist sie unzufrieden und nimmt privaten Abendunterricht bei dem Maler Frederik Krebs. Ryggen ist begeistert von Kandinsky, Jawlenksy und der Brücke-Künstlergruppe. 1922 reist sie nach Dresden, um in der Gemäldegalerie die alten Meister zu studieren…

Unerschrocken gegen Mussolini, Hitler & Co
Wieder und wieder bezieht sie mit ihren großformatigen Bildteppichen Stellung zum aktuellen Zeitgeschehen – und das ihr Leben lang. Unmittelbar reagierte sie 1935 auf die Invasion Mussolinis in Äthiopien mit einer hochpolitischen Tapisserie, darauf abgebildet ein Äthiopier, der einen Speer durch Mussolinis Kopf stößt – eine entschiedene Solidaritätsbekundung der Künstlerin. Auf der Weltausstellung in Paris wird der schonungslose Bildteppich zensiert gezeigt und der rechte Teil mit Mussolinis Konterfei einfach umgeschlagen. Auch die Arbeit „6.Oktober 1942“ ist hochpolitisch und erinnert an die norwegischen „Versöhnungsopfer“ während der NS-Besatzungszeit. Die verhöhnende Darstellung Adolf Hitlers, der Eichenlaub furzt, ist 1943 alles andere als ungefährlich.

Doch Ryggen ist mutig und hängt während des Einmarschs der NS-Besatzer ihre kritischen Teppiche auf eine Wäscheleine neben ihrem Haus auf. Dass Hannah Ryggen selbst von Repressalien verschont blieb, mag wohl daran liegen, dass sie mit der Textilkunst ein Medium wählte, das kaum jemand ernst nahm.

Teppiche mit politischer Botschaft
In den 1930er und 40er Jahren, widmet Ryggen zahlreiche Textilarbeiten dem faschistischen Widerstand und setzt politisch Verfolgten und Ermordeten, wie Carl von Ossietzky oder Liselotte Herrmann, ein Denkmal. In bühnenhaften Kompositionen verarbeitet sie traumatische Erfahrungen als Zeugin von Folterungen durch die Nationalsozialisten mit gesellschaftlichen Zäsuren. Äußerst selbstbewusst verbindet sie collagenartig europäische Avantgarde mit norwegischer Webkunst, verknüpft Politik mit Mythologie und dem alltäglichen Leben. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg positioniert sich Ryggen bis ins hohe Alter mit ihrer Kunst zu politischen Themen wie dem Nato-Beitritt Norwegens, der atomaren Aufrüstung der Großmächte und gegen den brutalen Vietnamkrieg der USA. Auch sozialpolitische Themen verarbeitet die Künstlerin, so in ihrem Bildteppich »Unverheiratete Mutter« von 1937, wo sie eine ledige Mutter entgegen der damals etablierten Vorstellungen frei und selbstbewusst darstellt.


(Quelle) Hannah Ryggen | Lost Woman Art: in: Lost Woman Art, o. D., https://www.lostwomenart.de/artist/hannah-ryggen/ (abgerufen am 06.02.2024).



(gelesen) (06.02) (Quelle ) (Kunst)

(Quelle )

Die Textilkünstlerin Hannah Ryggen
Gewebte Geschichte(n)

Bei der schwedisch-norwegischen Künstlerin Hannah Ryggen kommt einiges zusammen, was sie momentan für den Kunstbetrieb interessant macht: Sie war Autodidaktin, Selbstversorgerin und die erste Frau in Norwegen, die das Weben politisch auflud.
Bei den Terroranschlägen von Anders Breivik in Oslo 2011 wurde im Regierungsgebäude auch ein Wandteppich beschädigt: »We’ re living on a star«, ein Werk der 1970 verstorbenen Künstlerin Hannah Ryggen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet diese Künstlerin Zeit ihres Lebens gegen den Faschismus anwebte. Ihre Tapisserien widmen sich, schon bevor Norwegen von den Deutschen besetzt wird, dunklen Kapiteln der Weltgeschichte und muten dabei wie moderne Comics an. Hannah Ryggen lebte abgeschieden auf einer kleinen Insel nahe Trondheim. Das Spinnen, Färben und Weben brachte sie sich selbst bei. Zeitungen und Radio waren ihre Informations- und Inspirationsquellen. Was sie hörte und las, fügte sie am Webstuhl zu monumentalen Collagen, in denen sich Volkskunst, Moderne und politischer Aktivismus mischen.
Jetzt, fast 50 Jahre nach ihrem Tod, wird sie weltweit wiederentdeckt. Das passt zu einem Kunstmarkt, der sich auf vergessene Frauen, Textilarbeiten und traditionelle Techniken stürzt. Bei Hannah Ryggen steckt mehr dahinter.

(Quelle) Schwarz, Marietta: Die Textilkünstlerin Hannah Ryggen – Gewebte Geschichte(n), in: Hörspielportal, 11.10.2019, https://www.hoerspielundfeature.de/die-textilkuenstlerin-hannah-ryggen-gewebte-geschichte-n-100.html (abgerufen am 06.02.2024).



(geschrieben) (06.02) (Kunst)

Wurden textile Kunstwerke von Frauen in der Kunst ernstgenommen? Hingen solche Kunstwerke auch schon im Museum? Oder haben Männer die die Ausstellungen kuratierten das textile Arbeiten nicht als Kunst wahrgenommen? Wie hat es sich verändert? Aktuell hängt sehr viel textile Kunst in Museen. Welche Künstler*innen, die textil und politisch gearbeitet haben, sollte ich kennen?
Hannah Ryggen webte in Norwegen Wandteppiche mit politischen Botschaften. Es sind sehr figürliche Wandteppiche, die fast wie ein Comic wirken. Sie setzte sich darin gegen Faschismus ein und verarbeitete sozialpolitische Themen in den Werken und war damit »die erste Frau in Norwegen, die das Weben politisch auflud«(1). Sie nutzte nur natürliche Materialien, arbeitete an einem selbstgebauten Webstuhl und färbte ihre Materialien selbst mit natürlichen Stoffen.
Ryggen ist für fast 50 Jahre in Vergessenheit geraten und erst 2011 wieder entdeckt worden und wurde seitdem in vielen Museen ausgestellt.

(1) Schwarz, Marietta: Die Textilkünstlerin Hannah Ryggen – Gewebte Geschichte(n), in: Hörspielportal, 11.10.2019, https://www.hoerspielundfeature.de/die-textilkuenstlerin-hannah-ryggen-gewebte-geschichte-n-100.html (abgerufen am 06.02.2024).

}